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Grazer Erklärung der Konferenz
"Leiter islamischer Zentren und Imame in Europa"

Graz, am 15. Juni 2003

Die Konferenz "Leiter islamischer Zentren und Imame in Europa" bedankt sich bei allen Institutionen, die das Zustandekommen dieses fruchtbaren Gedankenaustausches ermöglicht haben. Eine Übereinstimmung in der Bewertung der Herausforderungen der Moderne in Europa wurde spürbar. Einigkeit bestand auch in der theologischen Wahl der Mittel, um zu einem konstruktiven Umgang zu gelangen.
So konnte ein wichtiger Grundstein für die weitere Zukunft gelegt werden.

Es leben in Europa heute mehr als 10% der Gesamtbevölkerung mit einem muslimischen Bekenntnis. Die gleiche Religion verbindet sie alle, auch wenn sie kulturell und traditionell sehr oft verschiedene Prägungen ausweisen. Vielfalt ist eine Realität auch innerhalb des Islam, die zu allen Zeiten als Segen galt. Vielfalt auch als Reichtum an Optionen zur Lösung von neu auftauchenden Fragen zu nutzen, ist eine Chance. Sich dieser vielfältigen Betrachtungsweiseauf dem Boden einer Religion bewusst zu  machen, ist eine in dieser Form neue Tatsache. Denn in Europa findet ein direkter lebendiger Gedankenaustausch statt, der so gefördert und institutionalisiert, auch wertvolle Impulse in die islamische Welt senden könnte. Die Konferenzteilnehmer betonten so die theologischen Mittel wie Idschtihad, das Prinzip der freien Meinungsbildung im Gefüge des Islam, die Freiheit mit dem Wissensschatz der verschiedenen Rechtsschulen kreativ und dialogisch umzugehen und überhaupt die zentrale Rolle des Intellekts. Islam in seiner Kernbotschaft, in seiner Aufgeschlossenheit den Wissenschaften gegenüber und seinem Bildungsgebot enthält den ständigen Aufklärungsaspekt.

Mit aller Entschiedenheit vertreten die Konferenzteilnehmer, dass es sowenig wie es einen afrikanischen, arabischen oder sonstwie ethnischen Islam gibt, auch nicht von einem "europäischen" Islam gesprochen werden kann. Nur der Begriff "Islam in Europa" kann treffend wiedergeben, dass ein Islam europäischer Prägung sich selbstverständlich aus dem dynamischen Selbstverständnis der einen Religion Islam heraus entwickelt. Diesen Prozess mit ihrem theologischen Fachwissen zu begleiten und zu unterstützen, sehen die Imame und LeiterInnen islamischer Zentren als ihre Aufgabe.

Muslime teilen mit den anderen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen gemeinsame Normen und Werte. Die Stellung der verwandten monotheistischen Religionen wird dabei besonders hervorgehoben. Der Koran sagt in Sure 2, Vers 285: "Der Gesandte glaubt an das, was ihm von seinem Herrn herabgesandt wurde, und ebenso die Gläubigen. Alle glauben an Allah und Seine Engel und Seine Schriften und Seine Gesandten und machen keinen Unterschied zwischen Seinen Gesandten und sie sprechen :" Wir hören und gehorchen. Schenke uns Deine Vergebung, unser Herr! Und zu Dir ist die Heimkehr."

Der  Islam ist durch historische und kulturelle Verflechtungen untrennbar mit der Geschichte Europas verbunden. Sich dessen verstärkt zu besinnen und den konstruktiven Dialog miteinander auszubauen und zu vertiefen, ist eine Bereicherung und vielversprechende Notwendigkeit. Der Koran spricht hier in Sure 16, Vers 125: "Lade zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung ein und diskutiere mit ihnen auf die beste Art und Weise...."

Damit der Pluralismus zur Bewahrung von sozialem Frieden und sozialer Gerechtigkeit beiträgt und die Menschen einander näher bringt, dient der Koranvers 49/13 der Orientierung, in dem es heißt: "Oh ihr Menschen! Wir erschufen euch aus einem Mann und einer Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennenlernt. Doch der vor Allah am meisten Geehrte ist der Gottesfürchtigste unter euch. Allah ist fürwahr wissend, kundig."

Um ihrer Verantwortung innerhalb der Gesellschaft gerecht zu werden, beschließt die Konferenz folgendes in drei Themenbereichen behandeltes:

I. Islamische Identität in Europa

-      Die europäischen Muslime sind sich ihrer religiösen Identität als Muslime und ihrer gesellschaftlichen Identität als Europäer gleichermaßen bewusst. Die Einbürgerung stellt keinen Widerspruch in theologischer Hinsicht dar.

-      Die islamische Botschaft ist auf Mäßigung gebaut. Daraus resultiert die klare Absage an jegliche Form von Fanatismus, Extremismus und Fatalismus.

-      Die mittelalterliche Einteilung in eine Welt der Gegensätze von Dar als Islam = Haus des Islam und Dar al harb = Haus des Krieges ist abzulehnen. Sie hat weder eine Grundlage im Koran, noch in der Sunna und ist als historisches, längst überholtes Phänomen von keinerlei heutiger Relevanz.

-      Menschenrechte sind ein zentraler Bestandteil des Islam. Die Würde des Menschen als eines von Gott aus der gleichen Substanz geschaffenen Wesens zu bewahren und aktiv für Menschenrechte einzutreten, ist ein selbstverständlicher Auftrag jedes Muslim und jeder Muslime.

-      Mann und Frau sind im Islam einander gleichwertige Partner. Mehr als das tragen sie gegenseitige Verantwortung. Frauen genießen im Islam von Beginn an wesentliche Rechte, die ihren Status sichern. Frauenrechte sollen daher keine Theorie sein. Es gilt sie in allen Facetten zum Tragen zu bringen. Partizipation von muslimischen Frauen in den verschiedensten Gebieten des gesellschaftlichen Lebens ist ein wesentliches Kriterium.  Alle Konferenzteilnehmer bekennen sich zur theologischen Zusammenarbeit von muslimischen Männern und Frauen und fördern und unterstützen sie.

-      Die Muslime müssen ihre Loyalität der Verfassung und dem Gesetz gegenüber auch in deren säkularer Struktur kundgeben.

-      Pluralismus gilt im Islam als von Gott gewollt. Der Umgang damit ist nicht nur im Wetteifern in guten Taten und im Dialog definiert und als Auftrag an die Muslime formuliert. Der Gedanke der Demokratie ist mit dem Prinzip der "Schura", der gegenseitigen Beratung, im Koran verankert.

-      Partizipation auf allen Gebieten ist so ein zutiefst islamischer Grundsatz, der das harmonische und von gegenseitiger Bereicherung getragene Zusammenleben in einer immer pluralistischeren Welt fördert.


II. Wünsche an die europäischen Staaten

Die Teilnehmer betonen mit Nachdruck eine Reihe von Wünschen an die europäischen Staaten. Auch vor dem zu wenig allgemein wahrgenommen Hintergrund, dass der Islam einen Teil der europäischen Kulturgeschichte bildet, ist er im Sinne der breiten Bewusstmachung als Bestandteil der europäischen Gesellschaft sichtbar zu machen, dass gesellschaftliche Integration nicht Assimilation bedeuten kann. Gegenseitige Anerkennung und Respekt ebnen den Weg zu Integration von Muslimen als Muslimen.

-      Der Anerkennungsstatus des Islam wie er in Österreich bereits lange besteht, garantiert ein rechtlich definiertes Verhältnis, das die Integration der Muslime als Bestandteil der Gesellschaft fördert. Dazu gehören das Recht auf freie und öffentliche Religionsausübung und das Recht auf innere Autonomie, das die Bewahrung der Eigenständigkeit ermöglicht, wie es das islamische Prinzip der dynamischen Betrachtung spezifischer Situationen vor dem Hintergrund von Zeit, Ort und handelnden Personen fordert. Für die Muslime in Europa ist nach diesem Vorbild allgemein der Status der Anerkennung in den verschiedenen Staaten anzustreben. Die Konferenz appelliert hier an die maßgeblichen Stellen in dieser Richtung aktiv zu werden.

-      Die Errichtung von Moscheebauten, die Einrichtung von islamischen Friedhöfen, das Recht auf Teilnahme im Berufsleben für Frauen mit islamischer Bekleidung und das Recht zum Schächten sind unbedingte Erfordernisse für die muslimische Gemeinschaft. Der Ausbau der Infrastruktur befestigt den sozialen Frieden und schafft Transparenz.


III. Bildung und Erziehung

Imame und muslimische Theologinnen tragen wesentlichen Anteil an der Bildung und Erziehung und dem Aufbau einer islamischen Infrastruktur. In diesem Bereich sind eine Reihe von Aufgaben vordringlich. Vorurteile, Klischees, Stereotype und tradierte Feindbilder können nur auf dem Wege einer Bildungsoffensive angegangen werden. Diese sollte Züge des gemeinsamen Vorgehens tragen. Friedenserziehung ist eine euch gemeinsam zu behandelnde Aufgabe unserer Zeit.

-      Von Seiten der Muslime ist die Ausbildung und Heranbildung der Jugend vordringlich. Hier hat sich das Mittel des in den Schulalltag integrierten Islamunterrichts bewährt. Islamunterricht trägt dazu bei, Differenzen zwischen Tradition und islamischer Lehre aufzuzeigen und zu überwinden.Er fördert die innermuslimsiche Integration durch die lebendige Vielfalt der teilnehmenden SchülerInnen und schafft somit Identität als Muslime und Europäer. Qualitätvolle, institutionalisierte islamische Bildung ist ein Garant für die Vermeidung von Engstirnigkeit, Fanatismus und Fatalismus. Dazu  gehört die Gründung von Fakultäten zur Ausbildung auf dem europäischen Boden beheimateter islamischer Rechtsgelehrten.

-      Von Islamischen Fakultäten aus soll das Entstehen eines neuen Rechtssystems begünstigt werden, das mit der europäischen Gesellschaft in Einklang steht.

-      Sprachenerwerb soll forciert werden. Nur wer die Sprache des Landes, in dem er lebt, beherrscht, kann sich als echter Teil dieses Landes begreifen.

-      Ausgebildete Muslime können auf der Basis ihres Wissens Brückenbaufunktionen übernehmen. Dies nicht nur auf intellektuellem Gebiet im Bereich der Universitäten zur Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Auch in praktischem Sinne sind Muslime, die eine solide Kenntnis des eigenen Hintergrundes mit dem Wissen um die europäische Situation vereinigen, eine Stütze beim Aufbau sozialer Einrichtungen wie Mediationszentren oder Krisenberatungsstellen. Auch auf dem Dienstleistungssektor werden ihre Leistungen zunehmend gefragt.

-      Noch wird das Bild des Islam stark durch Massenmedien und die zum Teil mangelhafte Information, die auf Wissenslücken aus der Schulzeit gründet, bestimmt. Hier wäre eine Instituationalisierung bestehender Initiativen anzustreben, die beispielsweise auf dem Sektor von Studien oder Programmen zur Begegnung mit SchülerInnen im Rahmen des Unterrichts bisher eher auf privates Engagement angewiesen sind.

-      Muslime sind hierbei aufgerufen ihre Dau‘apflicht so zu verstehen, dass sie zu Information aufgerufen sind und jene Ethik, die ihnen der Islam mitgibt, auch in ihrem persönlichen Leben weitestgehend erlebbar machen sollen.

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