Wie man sehen kann, waren die Tage vollgepackt mit Informationen zu grundlegenden Themen. Die Diskussion kam vor diesem
Hintergrund etwas kurz, aufgrund des großen Informationsbedarfs war dies aber nicht zu vermeiden.
Ein „Highlight“ war der „islamische Kulturabend“: Bei arabischem Kaffe und Gebäck konnte man den Beiträgen verschiedener
TeilnehmerInnen lauschen, als da waren: ein Vortrag der Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“, Geschichten vom Hodscha Nasreddin, christliche Lieder aus Somalien von David Shenk und
Koranrezitationen von Seiten der beiden anwesenden Musliminnen.
DIE REFERATE
Von allen ReferentInnen kann hier ein Beitrag nachgelesen werden:
Der Islam in Deutschland Hamideh Mohagheghi über die
Geschichte und Gegenwart der Muslime in Deutschland
Die Barmherzigkeit Gottes im Islam Dr. Ulrike Bechmann
über die Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes im Islam
God’s Word in the Bible David Shenk über das
unterschiedliche Schriftverständnis von Muslimen und Christen (engl.)
DIE DISKUSSION
Erwartungsgemäß waren vor allem David Shenk und Hamideh Mohagheghi nicht immer einer Meinung. Eine „Streitfrage“ war die der
muslimischen Weltanschauung: D. Shenk vertrat in seinem ersten Referat „Der Islam weltweit“ die Ansicht, daß es das Ziel der Muslime sei, überall wo sie leben, ein „Dar-al-Salam“ zu
errichten, wobei „Dar-al-Salam“ (wörtlich: Haus des Friedens) in Shenks Interpretation bedeutet, dass die Muslime die politische Herrschaft innehaben müssen. Es sei für Muslime nicht möglich,
unter der Herrschaft von Andersgläubigen zu leben.
H. Mohagheghi hielt demgegenüber zunächst fest, daß es für sie als Muslima kein Problem sei, in Deutschland unter
„nichtislamischer Herrschaft" zu leben. Deutschland sei aus muslimischer Sicht als „Dar-al-Salam“, zu bezeichnen, da hier die freie Religionsausübung gewährleistet ist.
In ihrem späteren Vortrag „Dar-al-Islam“ klärte sie dann die Begrifflichkeiten und deren Hintergründe: “Dar-al-Islam” (Haus
des Islam), “Dar-al-Harb” (Haus des Krieges) und “Dar-al-Ahd” (Haus des Vertrages) sind Begriffe, die weder im Koran noch in der Überlieferung des Propheten (Sunna) vorkommen. Sie wurden von
den Theologen des 9. und 10. Jahrhunderts entwickelt, um die damalige geopolitische Realität begrifflich zu beschreiben:
“Dar-al-Islam” wird dabei von den meisten Rechtsschulen als Gebiet definiert, in dem Muslime auch die politische Kontrolle
haben. (Diese Interpretation von “Dar-al-Islam” aus dem 9. Jh. ist also diejenige, die Shenks Verwendung von “Dar-al-Salam” entspricht, und die er als allgemeingültig auch noch für die
heutigen Muslime ansieht.) Die hanafitische Rechtsschule definierte jedoch schon damals “Dar-al-Islam” als ein Gebiet, in dem Muslime in Sicherheit und Frieden leben können, ohne dass sie
notwendigerweise auch die politische Macht innehaben. Als “Dar-al-Harb” wurde ein Gebiet definiert, in dem Muslime weder in Frieden noch in Sicherheit leben können, und “Dar-al-Ahd” ist
ein Gebiet, in dem Muslime als Minderheit leben, und mit dem es vertragliche Vereinbarungen gibt.
Für die heutige Zeit und für die Entwicklung, welche die modernen Staaten und pluralen Gesellschaften genommen haben, sind
diese Begriff nicht anwendbar. Es besteht auch keine Notwendigkeit, diese Begriffe zu verwenden, da sie keine Grundlage in Koran und Sunna haben. Muslime können in jedem Land leben, in dem
ihnen die Religionsfreiheit gewährt wird.
DIE BEGEGNUNG
Die Teilnahme von Hamideh Mohagheghi wurde von den TeilnehmerInnen, mit denen ich gesprochen habe, als großer Gewinn für die
Tagung erfahren. Beide Seiten konnten ihr Wissen erweitern - die Mennoniten über den Islam, aber auch umgekehrt: Frau Mohagheghi, die sich bei Angehörigen anderer christlicher
Konfessionen über die Mennoniten erkundigt hatte, mußte – wie sie berichtete – ihr dort gewonnenes Bild revidieren. Da sieht man, was passieren kann, wenn man sich aus zweiter Hand
informiert!
Die Vorträge von Ulrike Bechmann, die aus wissenschaftlicher Sicht und oft mit einer vergleichenden Perspektive an den Islam
herangeht (s. ihr Referat zur Barmherzigkeit Gottes im Islam
), waren für mich sehr informativ. Schwierigkeiten hatte ich hingegen mit dem missionarischen Zugang von David Shenk,
und auch für einen Teil des Angebots auf dem Büchertisch (à la "Mission unter Muslimen") konnte ich mich naturgemäß nicht erwärmen.
Positiv war jedoch die Erfahrung, daß die meisten Teilnehmer mir als "Ehemaliger" sehr offen begegneten, so daß es zu
interessanten Unterhaltungen und spannenden Diskussionen kam. Dabei fiel mir auf, daß besonders unter den älteren Teilnehmern einige waren, die sich sehr aufgeschlossen zeigten, was mich
positiv überraschte.
DAS FAZIT
Zwei Einsichten, die Teilnehmer im Gespräch mit mir geäußert haben, und die ich nur unterstreichen kann:
"Dialog muß auf gleicher Augenhöhe stattfinden" und "Wir müssen die Menschen der anderen Religion treffen, dann passiert etwas mit uns".
Silvia Al Saad, 25.10.2002
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