al-sakina ist online seit dem 24.03.02

 

 

Wer über neue Beiträge in al-sakina informiert werden möchte, kann hier den Newsletter bestellen

 

 

Sie möchten
al-sakina unterstützen?
Hier ist ein Logo zum Einbinden auf Ihrer Website:

 


250.000
BesucherInnen
 in vier Jahren,
seit März 2006:

 

 

ARTIKEL:

 

Projektions-
fläche Islam

 

Islam in den Medien

 

Der Islam in Deutschland

 

Die Barmherzigkeit Gottes im Islam

 

Die Liebe Allahs zu Seinen Dienern

 

Verantwortung für die Schöpfung

... den Islam kennenlernen – dialogfähig werden ...

 

Unter diesem Motto standen die Theologischen Studientage der AMG (Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland) vom 06.10 - 10.10.2002 in Heiligenstadt. Wie sich die Mennoniten dem Islam näherten, und wie eine Tagung aussieht, auf der sich eine katholische Islamwissenschaftlerin, ein mennonitischer Missionar und eine Muslima iranischer Herkunft begegnen, können Sie in diesem Bericht erfahren.

 

DER HINTERGRUND

Die meisten LeserInnen dürften sich an dieser Stelle fragen: „Wer oder was sind denn überhaupt Mennoniten?“.
Die Mennoniten sind eine christliche Freikirche mit über 1 Mil. Mitgliedern weltweit (ca. 40.000 in Deutschland), deren Ursprünge in der Täuferbewegung der Reformationszeit liegen. Dass sie nicht, wie man immer mal wieder lesen kann, eine sektenähnliche Gemeinschaft sind, deren herausragendstes Merkmal die Ablehnung der modernen Technik ist, kann man z.B. dieser
Selbstdarstellung entnehmen.

Einmal im Jahr werden von der AMG (Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland), die Theologischen Studientage veranstaltet, an denen vor allem TheologInnen und GemeindemitarbeiterInnen teilnehmen.
 

DIE VORGESCHICHTE

Als im Oktober 2001 die Wahl des Themas für die diesjährigen Studientage anstand, entschied man sich unter dem Eindruck des 11. September für das Thema „Islam“. Das war für mich als ehemalige Mennonitin und heutige Muslima natürlich äußerst interessant. Mein Vater wurde in das Vorbereitungsteam berufen, und so hatte ich ein wenig Einblick in die Planungen zum Seminarverlauf. Dieser Einblick war zunächst ernüchternd: Unter „dialogfähig werden“ verstand man anscheinend, erstmal über die Muslime zu reden, bevor man mit ihnen redet: Eingeladen wurden eine katholische Theologin, die Islamwissenschaften studiert hat, und ein mennonitischer Missionar aus Amerika, der in muslimischen Ländern gelebt und gearbeitet hat. Kein Vertreter der Muslime war als ReferentIn vorgesehen.

Es folgte eine längere innerfamiläre Diskussion und schließlich erreichte mich die Meldung, daß er doch noch eingeladen wurde: das unbekannte Wesen, der Muslim – oder besser gesagt die Muslima, und zwar in Person von Hamideh Mohagheghi.

Aufgrund der Teilnehmeranzahl von vorangegangenen Studientagen rechneten die Veranstalter mit etwa 40 - 45 Anmeldungen. Es zeigte sich jedoch, dass das Thema “Islam” weit mehr Interessierte anzog: 65 Anmeldungen übertrafen die Erwartungen um mehr als die Hälfte. Mit Hamideh Mohagheghi und mir waren schließlich sogar zwei Muslime vertreten.
 

DIE REFERENT/INNEN

Hamideh Mohagheghi ist Juristin aus dem Iran und lebt seit 25 Jahren in Deutschland. Nach einer islamischen Ausbildung in Hamburg arbeitet sie in verschiedenen Arbeitskreisen zum interkulturellen und interreligiösen Dialog. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied von HUDA  - Netzwerk für muslimische Frauen e.V. 

David Shenk wuchs in einer mennonitischen Missionarsfamilie in Tansania auf und war selbst lange Jahre in mennonitischen Einrichtungen in verschiedenen afrikanischen Ländern tätig. Zusammen mit dem Muslim D. Badru Kateregga hat er das Buch A Muslim and a Christian in Dialogue veröffentlicht.

Dr. Ulrike Bechmann ist katholische Theologin aus Bayreuth. Sie hat ein Magisterstudium in Orientalistik abgeschlossen und war zehn Jahre lang Geschäftsführende des Weltgebetstages in Deutschland.

Man darf sich zwar fragen, inwieweit ein christlicher Missionar sinnvoll auf den Dialog mit dem Islam vorbereiten kann (denn Dialog und Misssion schließen sich m.E. aus),  die Kombination der drei ReferentInnen mit ihrem völlig unterschiedlichen Hintergrund erwies sich auf jeden Fall als äußerst spannend und interessant.
 

DAS PROGRAMM

(Es sind nur die thematischen Teile angeführt)

Zeit

Montag, 07.10.02

Dienstag, 08.10.02

Mittwoch, 09.10.02

9:30

Erwartungen zum Thema Islam
Welche Gefühle kommen auf? Was fällt mir ein? Was will ich wissen?
Leitung: Bechmann

Verständnis des Wortes Gottes
Der Koran als Wort Gottes
Mohagheghi
Gottes Wort in der Bibel
Shenk

Gesellschaftliche Implikationen
Dar-al-Islam (Haus des Islam)
Mohagheghi
Gemeinde als Tempel Gottes
Shenk

10:30

Der Islam heute
Der Islam weltweit
D. Shenk
Der Islam in Deutschland
H. Mohagheghi

Texte des Koran
Arbeit in Gruppen
Feedback im Plenum

Die Bedeutung Jesu
In islam. Theologie und Frömmigkeit
Mohagheghi
In christl. Theologie und Ethik, Shenk

15:00

Einführung in den Islam
Entstehung, Geschichte, Mohammads Wirkung in Mekka und Medina, Arabien zu seiner Zeit
Bechmann, Mohagheghi

Besuch einer Moschee in Göttingen

Gottesverständnis
im Islam: Tauhid
M
ohagheghi
im Christentum: Dreieinigkeit Shenk
Diskussion

19:30

Theologie des Islam
Koran - Sunna
Bechmann:
Die Barmherzigkeit Gottes im Islam, Mohagheghi

Islamische Kultur
Literatur, Kunst, Musik, etc.

Auswertung, Rückblick

Wie man sehen kann, waren die Tage vollgepackt mit Informationen zu grundlegenden Themen. Die Diskussion kam vor diesem Hintergrund etwas kurz, aufgrund des großen Informationsbedarfs war dies aber nicht zu vermeiden.

Ein „Highlight“ war der „islamische Kulturabend“: Bei arabischem Kaffe und Gebäck konnte man den Beiträgen verschiedener TeilnehmerInnen lauschen, als da waren: ein Vortrag der Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“, Geschichten vom Hodscha Nasreddin, christliche Lieder aus Somalien von David Shenk und Koranrezitationen von Seiten der beiden anwesenden Musliminnen.
 

DIE REFERATE

Von allen ReferentInnen kann hier ein Beitrag nachgelesen werden:

Der Islam in Deutschland
Hamideh Mohagheghi über die Geschichte und Gegenwart der Muslime in Deutschland

Die Barmherzigkeit Gottes im Islam
Dr. Ulrike Bechmann über die Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes im Islam

God’s Word in the Bible
David Shenk über das unterschiedliche Schriftverständnis von Muslimen und Christen (engl.)
 

DIE DISKUSSION

Erwartungsgemäß waren vor allem David Shenk und Hamideh Mohagheghi nicht immer einer Meinung. Eine „Streitfrage“ war die der muslimischen Weltanschauung: D. Shenk vertrat in seinem ersten Referat „Der Islam weltweit“ die Ansicht, daß es das Ziel der Muslime sei, überall wo sie leben, ein „Dar-al-Salam“ zu errichten, wobei „Dar-al-Salam“ (wörtlich: Haus des Friedens) in Shenks Interpretation bedeutet, dass die Muslime die politische Herrschaft innehaben müssen. Es sei für Muslime nicht möglich, unter der Herrschaft von Andersgläubigen zu leben.

H. Mohagheghi hielt demgegenüber zunächst fest, daß es für sie als Muslima kein Problem sei, in Deutschland unter „nichtislamischer Herrschaft" zu leben. Deutschland sei aus muslimischer Sicht als „Dar-al-Salam“, zu bezeichnen, da hier die freie Religionsausübung gewährleistet ist.

In ihrem späteren Vortrag „Dar-al-Islam“ klärte sie dann die Begrifflichkeiten und deren Hintergründe:
“Dar-al-Islam” (Haus des Islam), “Dar-al-Harb” (Haus des Krieges) und “Dar-al-Ahd” (Haus des Vertrages) sind Begriffe, die weder im Koran noch in der Überlieferung des Propheten (Sunna) vorkommen. Sie wurden von den Theologen des 9. und 10. Jahrhunderts entwickelt, um die damalige geopolitische Realität begrifflich zu beschreiben:

“Dar-al-Islam” wird dabei von den meisten Rechtsschulen als Gebiet definiert, in dem Muslime auch die politische Kontrolle haben. (Diese Interpretation von “Dar-al-Islam” aus dem 9. Jh. ist also diejenige, die Shenks Verwendung von “Dar-al-Salam” entspricht, und die er als allgemeingültig auch noch für die heutigen Muslime ansieht.) Die hanafitische Rechtsschule definierte jedoch schon damals “Dar-al-Islam” als ein Gebiet, in dem Muslime in Sicherheit und Frieden leben können, ohne dass sie notwendigerweise auch die politische Macht innehaben.
Als “Dar-al-Harb” wurde ein Gebiet definiert, in dem Muslime weder in Frieden noch in Sicherheit leben können, und “Dar-al-Ahd” ist ein Gebiet, in dem Muslime als Minderheit leben, und mit dem es vertragliche Vereinbarungen gibt.

Für die heutige Zeit und für die Entwicklung, welche die modernen Staaten und pluralen Gesellschaften genommen haben, sind diese Begriff nicht anwendbar. Es besteht auch keine Notwendigkeit, diese Begriffe zu verwenden, da sie keine Grundlage in Koran und Sunna haben. Muslime können in jedem Land leben, in dem ihnen die Religionsfreiheit gewährt wird.
 

DIE BEGEGNUNG

Die Teilnahme von Hamideh Mohagheghi wurde von den TeilnehmerInnen, mit denen ich gesprochen habe, als großer Gewinn für die Tagung erfahren. Beide Seiten konnten ihr Wissen erweitern - die Mennoniten über den Islam, aber auch umgekehrt: Frau Mohagheghi, die sich bei Angehörigen anderer christlicher Konfessionen über die Mennoniten erkundigt hatte, mußte – wie sie berichtete – ihr dort gewonnenes Bild revidieren. Da sieht man, was passieren kann, wenn man sich aus zweiter Hand informiert!

Die Vorträge von Ulrike Bechmann, die aus wissenschaftlicher Sicht und oft mit einer vergleichenden Perspektive an den Islam herangeht (s. ihr Referat zur Barmherzigkeit Gottes im Islam ), waren für mich sehr informativ. Schwierigkeiten hatte ich hingegen mit dem missionarischen Zugang von David Shenk, und auch für einen Teil des Angebots auf dem Büchertisch (à la "Mission unter Muslimen") konnte ich mich naturgemäß nicht erwärmen.

Positiv war jedoch die Erfahrung, daß die meisten Teilnehmer mir als "Ehemaliger" sehr offen begegneten, so daß es zu interessanten Unterhaltungen und spannenden Diskussionen kam. Dabei fiel mir auf, daß besonders unter den älteren Teilnehmern einige waren, die sich sehr aufgeschlossen zeigten, was mich positiv überraschte.
 

DAS FAZIT

Zwei Einsichten, die Teilnehmer im Gespräch mit mir geäußert haben, und die ich nur unterstreichen kann:

"Dialog muß auf gleicher Augenhöhe stattfinden" und
"Wir müssen die Menschen der anderen Religion treffen, dann passiert etwas mit uns".

Silvia Al Saad, 25.10.2002

zum Anfang
 

[home] [inhalt] [artikel] [bibliothek] [literatur] [galerie] [impressum]

Im Namen Allahs des Erbarmers, des Barmherzigen

 

Homepage von Silvia Horsch
zur Person >>
 


Der Islam - eine europäische Tradition

 

Glaube, Vernunft, Gewalt
Gedanken zur Papstrede

 

Offener Brief an den Papst
von 38 islamischen Gelehrten

 

Frauen im Islam

 

 

Lessing, Islam und Toleranz

 

 

Die Propheten im Koran

 

 

Kopftuchtragen in Zeiten des Terrorwahns

 

 

Leben und Werk von al-Ghazali

 

 

Rezitation der Fatiha

(erste Sure des Koran)

 

Literaturtip!
Muslimsein in Europa
In diesem Buch gibt
Tariq Ramadan
Antwort auf eine grundlegende Frage:
Kann es einen europäischen Islam geben?
>>

 

wer al-sakina unterstützen will, kann dieses Logo einbinden: